HAW-Professur – ein attraktiver Berufsweg?

Die Professur an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) oder FH-Professur gilt seit längerem als „Geheimtipp“ unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Grund für die  wachsende Attraktivität sind die Veränderungen im erweiterten Aufgabenspektrum und in den flexibler gewordenen Zugangsvoraussetzungen für eine Professur an einer HAW. Die  Berufungsvoraussetzungen sind andere als an den Universitäten, gleichsam aber anspruchsvolle: Neben einer Qualifikation in Lehre und Forschung ist eine dreijährige außerhochschulische Berufspraxis nachzuweisen.

Am Montag, den 24.04.2017 fand an der Goethe-Universität Frankfurt im Rahmen des aktuellen ProProfessur-Durchgangs eine mit 53 Personen sehr gut besuchte und spannende Podiumsdiskussion zum Thema „HAW-Professur – ein attraktiver Berufsweg“ statt. Es diskutierten vier engagierte HAW-Professorinnen aus unterschiedlichen Hochschulen und Fachrichtungen über Wege in die HAW-Professur, zentrale Anforderungen an die HAW-Professur und neue Entwicklungen an den HAWs:

Prof. Dr. habil. Diana Auth, Professur für Politikwissenschaft, insbesondere Sozialpolitik, Fachbereich Sozialwesen, FH Bielefeld

Prof. Dr. Christine Falkenreck, Professur für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Industriegüter-marketing und –vertrieb, Fakultät für Ingenieurwissenschaften, Hochschule Hof

Prof. Dr. Kira Kastell, Professur für Übertragungstechnik, Fachbereich Informatik und Ingenieur-wissenschaften, Vizepräsidentin für Studium und Lehre, Frankfurt University of Applied Sciences

Prof. Dr. habil. Anja Kroke, Professur für Ernährungsepidemiologie und Präventionsstrategien, Hochschule Fulda

Eindrucksvoll und authentisch schilderten die Professorinnen ihre vielfältigen Wege in die HAW-Professur entlang ihrer eigenen Berufsbiographie und ermunterten den Weg in die Professur gezielt anzugehen. Mit Hilfe konkreter und überzeugender Beispiele aus dem Alltag ließen sie keinen Zweifel aufkommen, dass die HAW-Professur einen außerordentlich attraktiven Karriereweg darstellt.

Eine hohe Affinität zur Lehre, umfangreiche Lehrerfahrungen und didaktische Kompetenzen, anwendungsbezogene Forschung und Berufspraxis zählen zu den zentralen Anforderungen. Als Vorteile gegenüber der Universitätsprofessur benannten sie keinen Zwang zur Drittmittelakquise, geringere Relevanz von Publikationen und Impact-Faktoren, geringere Hierarchien zwischen W2- und W3-Professuren, kollegialere Strukturen sowie häufiger unbefristete Mittelbaustellen. Auch das Verhältnis zu den Studierenden sei von mehr Nähe geprägt, bei gleichzeitiger größerer Heterogenität in der Studierendenschaft in Hinblick auf Alter und Bildungszugänge.

Hinzu kommt, dass eine Reduzierung des üblichen Lehrdeputates (18 SWS) für anwendungsbezogene Forschung möglich ist. Es gibt Angebote zur didaktischen Weiterbildung als Unterstützung der Lehre. Gelder für interne Forschungsförderung und für Publikationen stehen zur Verfügung. Die Geldgeber kommen insbesondere aus industrienahen Bereichen.

Vor dem Hintergrund einer Universitätsbiographie wurden vor allem die Möglichkeiten zum Erwerb der Voraussetzungen für die HAW-Professur nachgefragt. Was viele nicht wissen: Eine Habilitation kann anstelle von Praxiserfahrungen gelten, Lehrerfahrungen können nachgeholt werden, Teilzeitarbeit außerhalb der Hochschule kann angerechnet werden, anwendungsnahe Projekte können berücksichtigt werden und Berufspraxis kann durch parallele Tätigkeit zur Promotion erbracht werden.

Auch das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf fand Platz in der Diskussion: Das hohe Lehrdeputat sei mit Familie und Beruf gut vereinbar, „weil es kalkulierbar ist, besser als Anträge zu schreiben und Auslandsstipendien einzuwerben“, so eine der Professorinnen. „Männer gehen eher mit der Familie an den Hochschulstandort, Frauen pendeln hingegen häufiger, wenn sie Familie haben“, so eine andere.

Die Podiumsgäste haben problematische Beobachtungen und Entwicklungen dennoch nicht ausgespart. Diese dürften nicht nur auf die Fachhochschulen/HAWs zutreffen: „Die Grundgesamtheit der Studierenden verändert sich“, „BA-Arbeiten sind nicht so tiefgründig wie Masterarbeiten, „ob BA-Arbeiten an Universitäten tiefgründiger sind als an Fachhochschulen“, sei indes offen. Das Niveau und die Befähigung der Studierenden hätten insgesamt abgenommen, Das ist dann ein „Aufbau auf fast nichts“, so formulierte dies eine Professorin. Diese Situation erfordere eine gewisse Frustrationstoleranz und inhaltliches sowie methodisches Geschick.

Fachhochschulen/HAWs erfahren wissenschaftspolitisch derzeit eine verstärkte Aufmerksamkeit. Bisher eröffneten die Masterstudiengänge die Möglichkeit zur Promotion, zunächst in Kooperation mit Universitäten (z.B. in NRW, Sachsen). Fachhochschulen/HAWs sind nunmehr bemüht, den eigenen akademischen Nachwuchs selbst auszubilden. Forschungsstarken Fachrichtungen kann in Hessen seit 2015 ein an Bedingungen geknüpftes befristetes Promotionsrecht verliehen werden. „Es gibt mehr Forschung bei Hochschulen mit Promotionsrecht, ob sich Fachkulturen dadurch verändern, bleibt abzuwarten“, so die Einschätzung einer Professorin.

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