Impulse aus universitären Spitzenpositionen

Nach wie vor sind es vor allem Frauen, die nach der Promotion die Hochschulen verlassen und sich gegen die einerseits sehr attraktive, andererseits aber auch hürdenreiche Wissenschaftslaufbahn entscheiden. Die Förderung junger Wissenschaftlerinnen ist deshalb ein Schwerpunkt von Mentoring Hessen, der vor allem in den beiden Förderlinien ProAcademia und ProProfessur umgesetzt wird. Während ProAcademia fortgeschrittene Doktorandinnen und frühe Postdocs eher in der Anfangsphase einer Wissenschaftslaufbahn in den Blick nimmt, richtet sich ProProfessur an fortgeschrittene Postdocs, Habilitandinnen, Privatdozentinnen, Juniorprofessorinnen und Nachwuchsgruppenleiterinnen – also Wissenschaftlerinnen, die auf dem Weg in die Professur schon ein gutes Stück vorangekommen sind.

Über die individuelle Zusammenarbeit im Mentoring-Tandem hinaus, ist es in allen Förderlinien von Mentoring Hessen ein wichtiger Ansatz, weibliche Vorbilder sichtbar zu machen. Zudem sollen Ansätze zur kritischen Reflexion der Karriereoptionen geboten werden, um die Teilnehmerinnen in ihrer Entscheidungs- und Orientierungsphase konstruktiv zu unterstützen.

Im ersten Halbjahr 2018 konnten gleich zwei renommierte Professorinnen in universitären Spitzenpositionen als Rednerinnen gewonnen werden, die beide Ansätze hervorragend verknüpften.

Bei der öffentlichen Auftaktveranstaltung von ProAcademia und ProProfessur an der Philipps-Universität Marburg griff die Präsidentin der Universität Paderborn, Prof. Dr. Birgit Riegraf, in ihrem  Festvortrag die Verbindung zwischen den gültigen Konzeptionen von Exzellenz und Geschlechterkonstruktionen auf. Riegraf ist als Beiratsmitglied Mentoring Hessen bereits seit einiger Zeit verbunden. Als Soziologin forscht sie seit Jahren zu Hochschulen und anderen Organisationen unter einer Gender-Perspektive. Sie fragte kritisch, was Exzellenz überhaupt bedeute und wer sie zugeschrieben bekommt, wer Leistungen in der Wissenschaft definiere und anerkenne, und inwiefern aktuelle Entwicklungen an Hochschulen, wie etwa Tenure-Track-Verfahren und Exzellenzinitiativen, tatsächlich neue Chancen für Frauen beinhalten könnten. Zudem ging sie auf Gemeinsamkeiten dieser Förderstrukturen mit tradierten Männlichkeitsvorstellungen ein, die allerdings inzwischen auch brüchig würden.

Eine kritische Perspektive nahm auch Prof. Dr. Doris Klee, Prorektorin für Personal und wissenschaftlichen Nachwuchs an der RWTH Aachen, ein. Sie hielt bei der Netzwerkveranstaltung „Vielfalt der Karrierewege in der Wissenschaft“ an der Goethe-Universität Frankfurt den Inputvortrag und bemängelte, dass die Stellenbefristungen und die damit verbundenen Unsicherheiten dem Berufsfeld Wissenschaft an Attraktivität nehmen würden. In Deutschland gäbe es nur einen „unselbständigen Mittelbau“, insgesamt zu wenig Dauerstellen, intransparente Karrierewege, eine nur geringe Durchlässigkeit von Wissenschaft und Wirtschaft. Sie verwies auf Modelle im Ausland, wie den Maître de conférence in Frankreich, für den die Berufung noch vor der Habilitation erfolgt, oder den Lecturer im englischsprachigen Raum. An der RWTH Aachen versuche man, von diesen Ansätzen zu lernen und habe innovative Angebote für Advanced Talents entwickelt und beteilige sich am Tenure-Track-Programm für junge Postdocs (1-3 Jahre nach der Promotion).

Riegraf und Klee sehen beide im Mentoring eine hervorragende Möglichkeit, gerade Frauen auf dem Weg in Wissenschaft und Professur anzusprechen und adäquat zu unterstützen.

Foto: Prof. Dr. Birigt Riegraf, Präsidentin der Universität Paderborn und Mitglied im Beirat von Mentoring Hessen, bei der Auftaktveranstaltung von ProAcademia und ProProfessur.

Zurück zur Übersicht