Karriereoption HAW-Professur

Die HAW- oder FH-Professur gilt seit längerem als „Geheimtipp“ unter jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, weil es in diesem Bereich relativ viele offene Stellen gibt. Gleichzeitig gewinnen die Hochschulen für Angewandte Wissenschaft immer mehr an Bedeutung. Etwa ein Drittel aller Studierenden ist inzwischen an Fachhochschulen eingeschrieben und auch eine Promotion ist in Hessen seit November 2015, durch die Verleihung eines befristeten Promotionsrechts an forschungsstarken Fachrichtungen, möglich. Doktorandinnen der HAWs nehmen bereits an den Förderlinien ProCareer.Doc und ProAcademia teil. Und auch das Bund-Länder-Programm zur Gewinnung und Entwicklung professoralen Personals an Fachhochschulen will die HAWs stärken und bietet ein Experimentierfeld für innovative Maßnahmen.

Damit ist für viele Teilnehmerinnen der Mentoring-Programme von Mentoring Hessen, das als Verbundprojekt von Universitäten und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften am Puls der Entwicklungen verankert ist, die HAW-Professur eine interessante Karriereoption. Das zeigt auch ein Blick auf die Zahlen: Von 233 seit 2008 geförderten Wissenschaftlerinnen in der Förderlinien ProProfessur sind 77 inzwischen in der Professur, davon 16 an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (21%). Und das obwohl der Weg in die Professur in MINT-Fächern, die an den HAWs deutlich überwiegen, für Frauen immer noch schwieriger ist. Obwohl in ProProfessur zu gleichen Teilen Natur- und Ingenieurwissenschaftlerinnen sowie Geistes,- Sozial,- und Gesellschaftswissenschaftlerinnen gefördert werden, stammen von den Berufenen nur knapp ein Drittel aus dem MINT-Bereich.

Entsprechend groß war der Diskussionsbedarf der rund 50 Frauen, die am 11. April zu dem Karrieregespräch „HAW-Professur – ein attraktiver Berufsweg“ an die Technische Hochschule Mittelhessen kamen.

Drei Professorinnen an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften gaben wertvolle Einblicke in ihren Werdegang und beruflichen Alltag. Prof. Dr. Gabriele Gühring ist Professorin für Mathematik an der Hochschule Esslingen, Sprecherin der Landeskonferenz von Gleichstellungsbeauftragten an HAWs in Baden-Württemberg und außerdem eine der beiden Vorsitzenden im Beirat von Mentoring Hessen. Die Vizepräsidentin für Studium und Lehre der Technischen Hochschule Mittelhessen Prof. Dr. Katja Specht ist Professorin für Statistik, Operations Research und Logistik. Sie wurde jüngst in die Steuerungsgruppe von Mentoring Hessen berufen. Die Bauingenieurin Prof. Dr.-Ing. Dörte Ziegler ist Professorin für Wasserressourcen- und Umweltmanagement an der Hochschule Koblenz.

Wertvolle Tipps gaben die Professorinnen den Zuhörerinnen beispielsweise, als es um die Voraussetzungen für eine HAW-Professur ging. Weniger als 4% der Erstberufenen an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften sind habilitiert, dafür sind mindestens 3 Jahre Berufserfahrung außerhalb der Hochschule gefordert. In vielen Bundesländern gilt aber, dass die Habilitation die Praxiserfahrung ersetzen kann. Auch Erziehungszeiten können auf die Praxiserfahrung angerechnet werden, so die Hinweise der Referentinnen.

Außerdem machten sie deutlich, dass bei einer HAW-Professur ein deutlicher Schwerpunkt auf der Lehre liegt. Sie bringt Lehrverpflichtungen von 18 Semesterwochenstunden mit sich, das ist doppelt so viel wie an einer Universität. Gelder für Forschung und Ausstattung müssen in der Regel eingeworben werden, die Forschungsausstattung und der finanzielle Rahmen für eine Professur sind nicht mit den Bedingungen für eine Universitätsprofessur zu vergleichen. Dennoch, so der Tenor des Podiums, ist die HAW-Professur eine sehr gute Option, wenn man gerne selbst gestaltet, Freiräume nutzt und Spaß an der Lehre hat. Auch in Hinblick auf das familiäre Umfeld, denn die Lehrveranstaltungen sind zwar gesetzt, die restliche Zeit aber recht flexibel gestaltbar.

Eine Möglichkeit, um den Berufsweg für sich zu testen und kennenzulernen, sind Lehraufträge an HAWs, die auch begleitend zur Berufstätigkeit durchgeführt werden können, wenn man bereit ist die recht aufwändigen Vorbereitungen in seiner Freizeit zu leisten. Es gibt aber auch Unternehmen, die großen Wert auf den Austausch mit Hochschulen legen und es deshalb unterstützen, wenn Mitarbeiterinnen Lehraufträge annehmen.

Und eine wichtige Ermutigung bekamen die Zuhörerinnen mit auf den Weg: Nicht einschüchtern lassen, wenn man nicht alle Voraussetzungen erfüllt und trotzdem bewerben! Denn das geht fast allen so. Es ist eher wichtig, dass man es sich selbst zutraue.

Foto: v.l.n.r. Prof. Dr.-Ing. Dörte Ziegler, Prof. Dr. Gabriele Gühring, Claudia Miebach (Projektkoordinatorin Mentoring Hessen, Moderation) und Prof. Dr. Katja Specht

Zurück zur Übersicht