Spitzenrunde zur Geschlechtergerechtigkeit

Ein hochkarätiges Podium kam zusammen für das virtuelle Netzwerktrefffen von Mentoring Hessen mit rund 280 Teilnehmer*innen am 5. November.  Die hessische Wissenschaftsministerin Angela Dorn diskutierte mit den Präsidentinnen der Universitäten Darmstadt, Frankfurt, und Marburg Prof. Dr. Tanja Brühl, Prof. Dr. Birgitta Wolff und Prof. Dr. Katharina Krause.

„Geschlechtergerechte Hochschule – Gestaltungsmacht in weiblichen Spitzenpositionen?“ war das Thema. Zum Einstieg stellte die Geschäftsführerin von Mentoring Hessen Dr. Ulrike Kéré die aktuelle Situation dar. Frauen hätten in allen Statuspassagen und Fächern deutlich aufgeholt, vor allem in den MINT-Fächern und in Führungspositionen seien sie aber weiterhin deutlich unterrepräsentiert. So lag bei den Studierenden der Frauenanteil 2019 bundesweit bei 49,3 %, in den MINT-Fächern aber bei 31,4% und in den Ingenieurwissenschaften bei nur 24 %. Der Frauenanteil bei Promotionen lag insgesamt bei 45,4%, in den MINT-Fächern bei 33,5 % und in den Ingenieurwissenschaften bei 18,6%. Spätestens bei den Professuren wird deutlich, dass die Hochschulen noch weit von einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis entfernt seien, denn der Anteil an Professorinnen lag 2019 bei 25,6 %, in den MINT-Fächern bei nur 19,3% und in den Ingenieurwissenschaften bei 12,9 %. Bei Führungspositionen entwickele sich der Frauenanteil noch langsamer.  Bei den Hochschulleitungen stieg er bundesweit von 8,3 % in 1996 auf 29,8 % im Jahr 2019. Kanzlerinnen sind mit 33,2 % am Häufigsten vertreten, gefolgt von Vizepräsidentinnen mit 32,4 %. Aber nur 22,2 % Präsidentinnen und Rektorinnen standen 2019 den Hochschulen vor. (Quellen Kompetenzzentrum Technik, Diversity und Chancengleichheit Datenpool, Cews und Statista).  Hier zeige sich nicht nur die Problematik der immer noch männlich geprägtenMINT-Fächer sondern auch die Leaky Pipeline insgesamt. Mit jeder Qualifikationsstufe gingen mehr Frauen für eine wissenschaftliche Karriere verloren, vor allem nach der Promotion. Kérés Fazit: „Geschlechtergerechtigkeit ist noch lange nicht erreicht.“

Danach befragt, wie sie als Frauen in Spitzenpositionen des Wissenschaftssystems dem Thema Geschlechtergerechtigkeit begegnen, macht die Runde aus Ministerin und Universitätspräsidentinnen klar: Es macht einen Unterschied, ob Frauen oder Männer führen. Das belegten auch Studien, die zum Beispiel zeigten, dass Frauen ein männlich konnotierter Führungsstil negativ ausgelegt würde. Aber gleichzeitig mahnen sie, wegzukommen von den Zuschreibungen, was typisch männlich und weiblich sei. So sagt Tanja Brühl: „Ich wünsche mir den Wandel hin zur diversitätsgerechten Hochschule, die gendergerecht ist, aber auch alle anderen Dimensionen berücksichtigt.“ Und sie ergänzt: „Der Kulturwandel von der konservativen Institution hin zur offenen Institution ist im Gange, aber der Weg bleibt anstrengend für alle Beteiligten.“ Katharina Krause wirbt dafür, auf diesem Weg Respekt vor den Argumentationsstrukturen anderer zu haben, denn gerade bei Wissenschaftler*innen seien diese sehr fachlich geprägt. Deshalb gelte für sie als Präsidentin „Leitungsaufgaben sind Kommunikationsaufgaben“.

Angela Dorn bekräftigt die Positionen der Präsidentinnen. Darüber, dass der Strukturwandel notwendig sei bestehe Einigkeit zwischen Politik und Hochschulen. Zentrale Instrumente sieht sie darin, Professor*innen als Führungspersonen weiterzubilden und die Hochschulen zu verpflichten ihre aktive Suche nach Kandidatinnen für Professuren systematisch zu dokumentieren. Der Hochschulpakt schaffe hier finanzielle Anreize. Und Birgitta Wolff ergänzt, dass auch Berufungsverfahren sich verändern müssten, zum Beispiel was die Auswirkung von Erziehungszeiten auf die Anzahl wissenschaftlicher Publikationen angeht. „Wir sind auf einem guten Weg, dennoch bedarf es der Analyse fachspezifischer Barrieren sowie der Entwicklung von Strategien und Instrumenten zur Rekrutierung von Frauen für Spitzenfunktionen.“ Dazu, so versicherte PD. Dr. Astrid Franzke, die stellvertretende Geschäftsführerin von Mentoring Hessen in ihrem Schlusswort, will Mentoring Hessen weiter einen großen Beitrag leisten.

Fotocredits:

Angela Dorn: kunst.hessen.de

Prof. Dr. Birgitta Wolff: Uwe Dettmar

Prof. Dr. Tanja Brühl: Katrin Binner

Prof. Dr. Katharina Krause: Rolf K. Wegst

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