Prof. Jutta Allmendinger zu Gast bei Mentoring Hessen

Am 6. Dezember begrüßten wir Prof. Jutta Allmendinger zu einem Netzwerktreffen mit rund 180 Gästen aus Wissenschaft und Wirtschaft an der Goethe-Universität. Die renommierte Sozialwissenschaftlerin sprach über Rahmenbedingungen für erfolgreiche Karrieren und gewährte dabei auch sehr persönliche Einblicke in ihre eigene Berufsbiografie.

Die Präsidentin der Goethe-Universität, Prof. Birgitta Wolff, legte gleich zu Beginn den Finger in die Wunde: Es gäbe noch immer zu wenig Frauen in Professuren. Die Goethe-Universität läge mit 27% zwar etwas über dem Bundesdurchschnitt, aber man solle kein Benchmarking nach unten betreiben, sondern darauf schauen, wie sich das Geschlechterverhältnis verbessern ließe.

Jutta Allmendinger benennt als ein zentrales Problem, dass bei Berufungen und der Besetzung anderer Spitzenpositionen viel zu sehr auf starre Erfolgskriterien und zu wenig auf das Potential von Kandidatinnen geachtet wird. Das sei vor allem für Frauen von Nachteil, die zum Beispiel wegen der Geburt eines Kindes eine Zeitlang nicht so intensiv forschen und publizieren konnten, wie ihre Kolleginnen und vor allem ihre Kollegen. Überhaupt gebe es in Deutschland noch eine sehr starke Stereotypisierung von Frauen mit Kindern, die als gemeinhin „weniger belastbar“ und „abgelenkt“ eingestuft würden. Das hat die Präsidentin des Wissenschaftszentrums für Sozialforschung in den USA ganz anders erlebt. Dorthin ging sie nach dem Studium in Mannheim und einer ersten Phase der Berufstätigkeit, studierte zunächst in Madison, Wisconsin und wurde dann an der Harvard University promoviert. „In den USA werden Kinder nicht versteckt. Dozentinnen bringen ihre Babys mit und Professorinnen und Professoren laden Studierende nach Hause ein, wo man sie als Menschen mit Familie erleben kann.“ Das habe eine starke Vorbildfunktion für junge Menschen und ermutigt zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Was sie in die USA führte, war auch die bessere Promotionsbetreuung: keine Abhängigkeit von einem Doktorvater, sondern mehrere Supervisors, standardisierte Aufnahmeverfahren und Graduierenden-Netzwerke. Die Anforderungen und Erwartungen waren sehr präzise formuliert. Inzwischen habe sich auch in Deutschland vieles verbessert, aber noch immer müsse man nach wie vor viele dieser Rahmenbedingungen und Erwartungen erst abklopfen.

Zurück in Deutschland arbeitete sie weiter mit den Erfahrungen aus dem amerikanischen Wissenschaftssystem im Kopf. Sie betreute 25 Promovierende, warb drei DFG-Projekte ein, hat in kürzester Zeit 23 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, saß als einzige Frau in allen Gremien und Kommissionen. Und fand deshalb selbst weniger Zeit zum Forschen und Schreiben als ihre männlichen Kollegen. Das, so sagt sie, würde sie heute anders machen. Ihr Rat an junge Wissenschaftlerinnen: der intrinsischen Motivation und eigenen Neugier folgen, Netzwerke und Freundschaften pflegen, Nein sagen lernen und viel Wert auf das Publizieren legen.

Aber auch institutionelle und strukturelle Veränderungen seien notwendig. So schlägt sie etwa ein flexibles Lebensarbeitszeitmodell mit durchschnittlich 32 Wochenstunden für Männer und Frauen vor, mit der Option auf intensive und weniger intensive Karrierephasen. Beide Partner müssten sich die Familienarbeit gleichermaßen teilen, Väter mindestens genauso lange Erziehungszeiten nehmen wie Mütter. Und vor allem brauche es Frauenquoten auf allen Führungsebenen, nicht nur für Aufsichtsräte. Am WZB versucht Jutta Allmendinger mit gendergerechten Arbeitszeitmodellen Frauen wie Männer in der Wissenschaft zu halten. Und stolz fügt sie hinzu: „Wir sind inzwischen die fertilste außeruniversitäre Forschungseinrichtung in Deutschland.“

Abschließend ermutigte Dr. Ulrike Kéré, Geschäftsführerin von Mentoring Hessen, die zahlreichen Studentinnen, Doktorandinnen und Postdocs im Publikum: „Haben Sie den Mut sich ambitionierte Karriereziele zu setzen. Denn es braucht mehr Frauen in einflussreichen Positionen, um wirklich etwas zu bewegen, und das nicht nur in der Wissenschaft.“

 

Foto v.l.n.r.: PD Dr. Astrid Franzke, Dr. Ulrike Kéré, Prof. Dr. Birgitta Wolff, Prof. Dr. Jutta Allmendinger

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